Wir beleben und gestalten unseren neuen Kundgebungs-Standort auf einem, für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrten, Straßenabschnitt am südlichen Ende der Johann-Kutschera-Gasse. Mittlerweile ist hier ein Boulevard mit öffentlicher Aufmerksamkeit entstanden: Zu Fuß und mit Fahrrädern kommen regelmäßig Menschen aus der Nachbarschaft vorbei und informieren sich über unsere Projekte und die derzeitige Lage.
Dabei konnten wir bereits Projekte in Angriff nehmen und teilweise schon realisieren, wie wir weiter unten noch erörtern. Zuerst berichten wir über das …
Gespräch mit Seestadt-Gesellschaft
Vorvergangene Woche fand am Infopoint unseres Gänseblümchen-Boulevards ein erstes Gespräch mit Vorstandsmitgliedern der Wien 3420 aspern Development AG nach unserer Protestaktion vor dem Aspern IQ Center statt. Zu Besuch waren Alexander Kopecek und Rainer Holzer, die darüber berichteten, dass die Protestaktion am 5. April weitere Wellen innerhalb der Organisationen um das Seestadt-Aspern-Projekts schlugen und verschiedene Verantwortliche eher pikiert reagierten. So hieß es, dass es für weitere Gespräche zumindest einer zeitlichen „Cool Down“-Phase bedürfe. Jedoch könne nicht versichert werden, dass es überhaupt zu einem weiteren Gespräch kommen würde, denn, so wurde uns gesagt (sinngemäß):
Derzeit sind wir nicht in der Lage Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Wagenplatz zu treffen, da jetzt mindestens zehn weitere Personen unseren Umgang damit genau beobachten.
Soviel zum Gespräch. Wir hoffen, dass diese zehn+ Verantwortlichen sich auch mit der Thematik tiefgründiger befassen, denn unser bisheriger Eindruck war, dass wir offenbar in folgenden Punkten nicht ausreichend wahrgenommen werden:
- Wir sind ein selbstverwaltetes Kunstkollektiv, d.h. dass wir ohne Auftraggeber*in und Subventionen unabhängig gegenkulturell tätig sind. Oder anders ausgedrückt, wir produzieren machen was uns gefällt!
- Wir leben in Wägen, täglich, ganzjährig und so gewollt. Wir packen nicht irgendwann ein und gehen dann nach Hause, weil wir da schon sind!
- Wir sind keine Splittergruppe oder Abordnung eines Wagenplatzes. Wir sind eine eigenständige, Mitte 2012 als unabhängiger Verein, gegründete Wagenplatz-Gruppe unterschiedlicher Herkunft. Eine Zusammenlegung unseres Wagentrupps mit einem anderen ist weder von unserer Seite, noch von einem anderen Wagenplatz gewünscht.
In der Hoffnung, dass wir uns in Luft auflösten und in Wohnungen ziehen oder uns einem anderen Wagenplatz anschließten (als würden ein Fussball- und Volleyballteam zusammengelegt werden, weil beide Ballsport betreiben), wurden wir von Politik und Organisationen einer Zermürbungs-Taktik ausgesetzt. Seit letzten Sommer wurden wir mit einer Reihe von Argumenten konfrontiert. In chronologischer Reihenfolge kamen diese:
- Schlechtes Image von Seestadt und Wagenplätzen. Eine gewisse Oppositionspartei macht Stimmung gegen die Seestadt Aspern und zieht hinkende Vergleiche mit der Großfeldsiedlung. Dieselbe Partei macht auch traditionell Stimmung gegen Wagenplätze, jedoch hat sich diese zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht zu den Gänseblümchen geäußert. Daher wurde diesem Nichtargument etwas Tiefe hinzugefügt, indem es dann hieß:
- Der Bezirksvorsteher sei dagegen. Falls jemals der Bezirksrat einen Grundsatzentschluss gefasst haben sollte, dass es keinen zweiten Wagenplatz in der Donaustadt geben soll, hätte dies keine Konsequenzen für unser Anliegen in der Seestadt, da dieses Gremium darüber nicht bestimmen kann. Hätte also Bezirksvorsteher Norbert Scheed interveniert wäre das eine Überschreitung seiner Kompetenzen gewesen. Bei einem Gespräch mit dem Bezirksvorsteher beteuerte dieser, keinen Einfluss auf unser Vorhaben ausüben zu wollen, und dass der Bezirk keine Handhabe gegen eine Vereinbarung mit der Seestadt hätte. erledigt.
- Kein Schutz vor der Sonne weil das Flugfeld-Gelände wenige schattenspendende Bäume hat. Wir verfügen über die notwendige Technik elektromagnetische Wellen im Bereich von 0,3 bis etwa 3,0 µm abzuschirmen bzw. nutzbar zu machen. Das war ein Argument? wohl kaum.
- Die Baustelle muss dynamisch sein, daher gäbe es keinen fixen Platz. Kernstück unseres mobile living-Konzepts ist die Nutzung einer (hoffentlich nicht patentierten) Erfindung: des circular transportation facilitation device. Dieses ermöglicht uns, unsere Wägen auch innerhalb einer dynamischen Baustelle, wie durch Zauberhand, von einem ruhigen Flecken zum anderen zu bewegen. kommt noch was?
- Es ist zu gefährlich. Es heißt, es wird hier eine der größten Baustellen Europas geschaffen. Zahllose LKW, Lastenkräne und Baugruben lechzen nach unserer Versehrtheit. Das 240 Hektar Areal (Nochmals: so groß wie der 7. und 8. Bezirk zusammen) wird aber in drei Bauphasen, schrittweise bis etwa 2030 und darüber hinaus, bebaut. Derzeit (2013) befinden wir uns in Bauphase 1, die weniger als die hälfte des Areals einbezieht. Wer es nicht drauf anlegt, tut sich auch nicht weh.
- Das Haftungsargument: Bei praktisch allen Vorhaben aller Art, bei denen irgendwer kalte Füße bekommt, ist dies traditionell die wirksamste Abwimmel-Strategie. Schon das Menschenrecht auf persönliche Selbstentfaltung widerspricht der Behauptung, die Seestadt würde zwingend für jedes Unheil, das jemandem von uns widerfährt, haften. Ein allumfassender und vollständiger Haftungsausschluss ist daher vereinbar und dieser hat bereits Zwischennutzungs-Projekte ermöglicht.
- Keine Entscheidungsgewalt. Wie zuvor erwähnt, heißt es nun, dass keine Entscheidungen bzgl. des Wagenplatzes in der Seestadt mehr getroffen werden können. Die Strukturen hinter der Stadtplanung sind also völlig intransparent und verworren. Vergesst die Bilderberger, Illuminati, ÖVP Niederösterreich und Co., das hier schlägt alle Verschwörungen und -theorien: Wien in Reinform!
Dauerkundgebung oder nicht?
Wir halten, wie zu Beginn erwähnt, eine Dauerkundgebung ab. Diese Versammlung, unter dem Motto „Akzeptanz experimenteller Wohnformen“, wird mithilfe von Transparenten und Infopoint verwirklicht und zudem laufend bei den Behörden (Landespolizeidirektion sowie Verkehrsabteilung) angemeldet.
Mittlerweile ereilte uns vom Referat Vereins-, Versammlungs- und. Medienrechtsangelegenheiten folgende Sicht ihrer Dinge:
Ihre Vorhaben wurde der MA 46 zuständigkeitshalber weitergeleitet, da es sich nicht um Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes handelt.
Warum uns nun plötzlich der „Charakter“ einer Kundgebung abgesprochen wird, ist uns unverständlich. Es scheint ein Geplänkel mit zu erwartenden Repressionsfolgen gegen uns in Gang gekommen zu sein. Bereits kommende Woche könnte sich unsere Lage drastisch verschlechtern.
Projekte und Aktionen
Die fahrenden Gärten von Wien, sind unser erstes fortgeschrittenes Projekt. Auf einem Plattformanhänger befinden sich verschiedene bepflanzbare Holzkisten. Am 17. April, dem Tag des kleinbäuerlichen Widerstands wurden die Gärten gemeinsam mit der SoliLa bepflanzt (und nebenbei auch Teile des Sigmund-Freud-Parks). nochrichten.net berichtete.
Das nächste Mal treten die fahrenden Gärten bei der Mayday-Parade am 1. Mai in Erscheinung
Darüber hinaus laufen mittlerweile auch weitere Projekte, wie die weitere Gestaltung des Straßenboulevards mit Kunstobjekten, wie der Aufzucht und Pflege eines Schilderwaldes, den Bau eines Solarkochers aus Recyclingmaterialien (Bierdosen!) und eine Installation, die den Karlsplatz der Seestadt (nicht nur im Sinne der Mobilität) näher bringt.